Ich hatte nun schon die Peruaner abgewimmelt und ein schnulziges, ungleiches Paar ertragen, die mir mit ihrem putzigen Gerede fast die auditive Wahrnehmung geraubt hätten. Mein Weg war nicht mehr weit und ich stieg um auf die Straßenbahn in Mannheim. Wieder sitze ich in einem Vierer und hänge über meinem Netbook, auf dem ich schon die ersten Zeilen dieser Geschichte nieder schreibe. Es setzt sich wer gegenüber von mir. Ich sehe eine beige Stoffhose und schwarze Lackledertreter. Er hört leise Musik, sodass ich daraus keine weiteren Eigenschaften der Person ableiten kann. Kein konservativer Klassikhörer, kein pubertierendes Zahnspangenmädchen auf Pietro Lombardi, keine Electrobeats aus stylischen Kopfhörern und auch kein Bob Dylan vom intellektuellen Querdenker.
Doch als hätte er meine Gedankengänge nachvollzogen, fängt er einfach an seine Musik laut zu pfeifen. Kein billiges Pfeifen, fast schon professionell hört es sich an, was er von sich gibt. Ein wenig Jazz und auf jeden Fall mit einer ganzen Ladung Stil. Ich dachte sofort an einen Schwarzen (ich hoffe die Bezeichnung geht in Ordnung… ich finde sie gut… leitet sich einfach nur aus einer Farbe her… neutral), denn die haben den Rhythmus, den Flow, die Leidenschaft beim musizieren, um solch ein Pfeifen in den Raum (wir saßen noch immer im Zug) zu werfen.
Ein kurzer Blick auf die Hände – es war leider kein Schwarzer.
Meine Augen blieben auf meinem Netbook haften. Ich wollte ihn ja nicht dumm anschauen, solange ich meine Analyse noch nicht abgeschlossen hatte. Ein pfeifender Weißer (s.o.) erschien mir etwas seltsam. Womöglich hatte er ein Messer und bei einem kurzen Blick unterbricht er sein Pfeifen – Zack, tot!
Denke ich zu sehr in Stereotypen?
Ich hielt mich zurück und der Mann stieg ein paar Stationen weiter aus. Meine Chance für einen kurzen Blick aus dem Fenster war gekommen. Ich sah ihn von hinten. Er trug noch eine schwarze Lederjacke, hatte eine Glatze, dazu einen lässiger Gang und war ca. 35 Jahre alt. Und was tat diese coole Sau nun?
Ganz cool lief er zum Ticketautomat, nahm seine Fahrkarte, leckte sie ab und klatschte sie zentral auf das Display. Was ein Glück, dass ich ihn vorher nicht angeschaut habe. Entweder er hätte mich erstochen oder mir die Fahrkarte in die Fresse geklatscht. Er war wohl ein kleiner Freak, aber irgendwie doch so verdammt cool. Einfach eine extrem coole, pfeifende Sau.
Meine Fahrt ging ebenfalls zu Ende, aber die nächste kommt bestimmt.
..gut, dass deine Bahngeschichten jetzt fertig sind 😉
Gruß
Vio
Sind sie. 🙂 Muss zugeben, die war schon etwas gequält… aber was man anfängt, muss man auch zu Ende bringen.
Gruß PS
Ich frage mich gerade, ob sein Ticket schon abgestempelt war oder er es für den nächsten Fahrgast auf seine spezielle Art und Weise hinterlassen wollte?
Jedenfalls lese ich seit Beginn des Blogs hier mit, die Storys sind mit der Zeit echt besser geworden, aber ich frage mich: Wer steckt hinter „PS“ und „ME“? Verratet ihr das?
Hey,
erstmal vielen Dank für das Lob und es freut mich, es von einem „Stammleser“ zu bekommen. Hinter PS und ME stecken 2 Studenten aus Karlsruhe, wobei ME seit Launch noch nie etwas geschrieben hat. 🙂 Mehr wollten wir nicht preisgeben, um unbefangen und ohne Gefahr unser Gesicht zu verlieren, auch über unangenehme Themen schreiben können.
Grüße